Filmseminar gegen Austerität: "Morenga" (BRD 1985) (Einführung durch Prof. Dr. Jürgen Zimmerer)

Foto: Filmseminar gegen Austerität
Wann: Mi, 13.08.2025, 20:00 Uhr
Wo: Von-Melle-Park 6, 20146 Hamburg
Im Rahmen der Kampagne „International solidarisch – Schluss mit Austerität!“ veranstalten wir seit 2018 ein Filmseminar als Freiluftkino am Philosophenturm der Uni Hamburg, bei dem wir mit Filmen rund um das Thema Austerität vs. Solidarität die internationale, kulturelle und historische Bedeutung des Bruchs mit dem Neoliberalismus reflektieren wollen. Bei schlechtem Wetter findet die Veranstaltung im Kokoschka-Hörsaal im Philosophenturm statt. (Von-Melle-Park 6, Phil D).
Bei der nächsten Vorstellung am Mittwoch, den 13. August 2025, ab 21 Uhr (ct) schauen und diskutieren wir zusammen den Film „Morenga“ von Egon Günther aus dem Jahr 1985. Wir beginnen wie immer mit einer inhaltlichen Einführung und Kontextualisierung und im Anschluss wird es wieder Gelegenheit zur Diskussion des Gesehenen geben. Wir freuen uns, Prof. Dr. Jürgen Zimmerer als Referenten ankündigen zu können, er ist Historiker und Genozidforscher und bis zu ihrer politischen Abwicklung Leiter der Forschungsstelle "Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die frühe Globalisierung".
Näheres zum Film:
Morenga
(Spielfilm | Regie: Egon Günther | BRD 1985 | 112 Min. | deu)
Es weht ein Hauch von Kolonialismus durchs grau-melierte Haar, wenn Wirtschaftsminister Habeck 2024 in der namibischen Wüste den erpresserischen Deal zum „vergünstigten Import grünen Wasserstoffs“ ins deutsche Kernland besiegelt. Um den wachsenden Einfluss Russlands, Chinas und weiterer ehemals kolonialisierter Länder auf die Weltpolitik zurückzudrängen, wird in der veröffentlichten Meinung hierzulande jedoch gern ein anderes Bild gezeichnet: der aus eigener Kraft zu Wohlstand gekommene, wehrlose, friedliebende, freiheitlich-demokratische „Westen“ ist von feindseligen, rückschrittlichen, kriegslüsternen, unterdrückerischen Mächten bedroht und braucht nun Hilfe.
Das Gros der Weltgemeinschaft allerdings wendet sich kopfschüttelnd ab. Man kennt Geschichte und Tatsächlichkeiten. Wann immer die europäischen Industrienationen ihre „zivilisatorischen Vorzüge“ gegenüber den Menschen des globalen Südens herausstellten, drohte Letzteren barbarisches Ungemach. So auch in Namibia, als ab 1904 kaiserlich-preußische „Schutztruppen“ an Herero und Nama den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts begingen, nachdem diese sich gegen die deutsche Inbesitznahme ihres Landes aufgelehnt hatten.
Die abgrundtiefe Wahrheitsverdrehung jener (reaktivierten) kolonialen Herrenmenschen-Denke ist es, die der Hamburger Autor Uwe Timm in seiner 1978 veröffentlichten Romanerzählung „Morenga“ satirisch-bissig aufs Korn nimmt.
Im Mittelpunkt der (stark gekürzten) Fernsehfilmerzählung von Egon Günther aus dem Jahr 1985 stehen, wie im Roman, die Schilderungen der Erlebnisse des Oberveterinärs Gottschalk, der sich 1904 freiwillig zum Einsatz in „Deutsch-Südwest“ gemeldet hat – zu jenem Zeitpunkt, als bereits der Vernichtungsbefehl des Generals von Trotha gegen die Herero erging. Gottschalks Einsatzgebiet ist der abgelegene Außenposten Warmbad im Süden des Landes, der nur den Zweck erfüllt, das koloniale Siedlungsgebiet deutscher Rinderzüchter gegen die aufständischen Nama unter ihrem Anführer Jakobus Morenga zu verteidigen und auszuweiten. Je näher er Einheimische und Landsleute kennenlernt, desto klarer wird dem naiven „Abenteurer“, wer hier die Zivilisierten sind und wer die barbarischen Unmenschen. Rohe Gewalt, alkoholgetränkter Stumpfsinn, dekadenter Nihilismus und vulgäre Vorteilsnahme unter dem Banner „christlich-abendländischer Kultur“ stehen einem strategisch-klugen, von tiefem Gerechtigkeitssinn geprägten, subversiven Widerstandsgeist der Nama gegenüber. Gottschalk erfährt es am eigenen Leib, als er in Morengas Gefangenschaft gerät: jene schier aussichtslos Unterlegenen, Verfemten und Verfolgten, denen ein existenzieller Kampf um ihr Land und Leben aufgezwungen wurde, behandeln noch jeden Deutschen – ob Siedler oder Soldat – mit mehr Würde, Respekt und Humanität, als dieser je von den eigenen Landsleuten erfahren durfte. Es brauchte die Allianz mit der britischen Kolonialkonkurrenz, den Einsatz schwerster Artillerie und eine zahlenmäßig absurde Überlegenheit der deutschen Truppen, um Morenga zu Fall zu bringen und den brutal sinnlosen Kolonialkrieg militärisch zu gewinnen.
Moralisch war er von vornherein verloren. Weil er die fundamentale Verkommenheit einer Gesellschaftsordnung offenbarte, die auf solch tiefgreifende soziale, kulturelle, politische und ökonomische Ungleichheit angewiesen ist.
Diesen Zusammenhang anschaulich begreifbar zu machen, darin besteht das hochaktuelle, kenntnisreiche Verdienst von Roman und Film. Ein Seh- und Lesegenuss, der danach schreit, aus der Geschichte endlich zu lernen. Die geistige und materielle Entschädigung für alle Kolonialverbrechen nach dem Verursacher-Prinzip, die globale Verwirklichung von Menschenrechten und sozialer Gleichheit, kooperative Handels- und Wirtschaftsbeziehungen (inklusive offenem Wissens- und Technologietransfer) zur Beseitigung von Hunger, Elend, Krieg und Klimawandel: das sind die elementaren Voraussetzungen für Frieden, Wohlstand und Demokratie weltweit. Kurz: Zivilisation.
International solidarisch – Schluss mit Austerität!
„Preußischer Ehrenkodex: Auf Frauen und Kinder darf man nicht schießen. Also treibt man sie in die Wüste und läßt sie verdursten.“
(Uwe Timm, „Morenga“, 1978)
Zum Filmseminar gegen Austerität:
Das Filmseminar findet statt im Rahmen der Kampagne „International Solidarisch: Schluss mit Austerität“. Nähere Informationen dazu sind online auf der Kampagnen-Seite www.schluss-mit-austeritaet.de zu finden. Den Flyer für die Anti-Austerity-Filmseminar-Reihe und weitere Termine gibt es unter www.schluss-mit-austeritaet.de/film-seminar-gegen-austeritaet.
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