KI am Fachbereich informatik
7. Juni 2019, von Lothar Hotz
Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) haben in den letzten Jahren an Anwendbarkeit gewonnen. Dies ist durch den Fortschritt von KI-Verfahren im Bereich Maschinellen Lernen begründet, die durch das Vorhandensein von
- algorithmischer Weiterentwicklungen im Bereich künstlicher neuronaler Netze,
- Hardware-Rechenleistung durch Graphical Processing Units,
- Software-Werkzeugen, die eine direkte Anwendung vorgefertigter KI-Algorithmen erlauben,
- großen Datenmenge sowie
- KI-Cloud-Services
ermöglicht wurden.
Wir sehen KI als ein Fachgebiet der Informatik an, welches sich in mehrere Teilgebiete unterteilt, welche wiederum die Umsetzung von intelligenten Fähigkeiten in einem Computer-System untersuchen. Diese Teilgebiete umfassen i.W.:
- KI-Methoden zur Wissens- und Datenrepräsentation mit Beschreibungslogiken, Wissensmanagement, wissensbasiertes Konfigurieren und Diagnose, semantische Netze, Ontologien, Linked Data, regelbasierte Systeme, deduktive Datenbanken, Ontologieabgleich (Ontology Alignment)
- KI-Methoden zur Datenanalyse und Datenaufbereitung mit Suchverfahren, semantische Suche, maschinelles Lernen (überwachtes Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen, unüberwachtes Lernen mit Cluster-Verfahren, Hauptkomponenten-Analyse, Data-Mining), Empfehlungssysteme (Recommender Systems), fallbasiertes Schließen, Bayes Netze, Planen, hybride neuronal-symbolischen Systeme, Aktionserkennung
- Verfahren zur Bildverarbeitung mit Objekterkennung, Szenenanalyse, inhaltsbasierter Bildabruf (Content-Based Image Retrieval)
- Sprachtechnologien mit der Verarbeitung von gesprochener Sprache (Speech) und geschriebener Sprache (Text), Syntheseverfahren, Sentimentanalyse
- Robotik mit der Verbindung von Sensoren, Schlussfolgerungsmechanismen und Aktionen.
Damit umfasst die KI ein deutlich größeres Spektrum, als das derzeit oft als "die KI" missverstandene Lernverfahren auf der Basis von künstlichen Neuronalen Netzen (KNN).Wir folgen damit auch (Kersting et al. 2019)1.
Eine genaue Abgrenzung zwischen KI und klassischer IT-Technologie ist nicht immer möglich. Ein Hauptgrund dafür ist die zunehmende Integration von KI-Methoden in komplexe Software-Systeme, in denen Verfahren unterschiedlicher Provenienz verbunden und an konkrete Anwendungsziele angepasst werden. In diesen Systemen gibt es keine klare Grenze, an der KI "anfängt".
Ein weiterer Grund für die unscharfe Trennung von KI und klassischer Datenverarbeitung ist die Verarbeitung von Big Data, also von sehr großen Datenmengen. Hier müssen aufwändige KI-Methoden oft zugunsten von hocheffizienten klassischen Methoden "abgespeckt" werden, z.B. bei der Realisierung semantischer Datenrepräsentationen. Big Data werden zunehmend bei der Weiterentwicklung von KI-Methoden berücksichtigt.
Darüber hinaus hat die Entwicklung des Semantic Web zu einer breiten Palette von Datenstrukturen und Techniken geführt (z.B. Ontologien, RDF, Linked Open Data, Knowledge Graphs), die in ihrer allgegenwärtigen Rolle bei Google und anderen Diensten nicht als KI-Methoden wahrgenommen werden, auch wenn sie aus der KI entstanden sind.
KI am Fachbereich Informatik
Das Fachgebiet Künstliche Intelligenz hat eine lange Tradition am Fachbereich Informatik. Der Ursprung liegt in den Gründungsjahren des Fachbereichs, d.h. in den 70er Jahren des vergangen Jahrhunderts. Prof. Hans-Hellmut Nagel konzipiert bereits 1971 das Forschungsvorhaben Transformation eines Videos in eine natürlichsprachige Beschreibung zur Vorbereitung der Berufungsverhandlung für eine Professur am senatsunmittelbaren Institut für Informatik der Universität Hamburg2. Dieses Forschungsvorhaben beinhaltet wesentliche Bereich der KI und begründet u.a. die Ausrichtung der KI an der Universität Hamburg am Fachbereich Informatik.
Ein weiterer Meilenstein war die Gründung des Labors für Künstliche Intelligenz (LKI). Das LKI wurde 1987 von Prof. Bernd Neumann aus dem Arbeitsbereich Kognitive Systeme gegründet. Damals vollzog sich die erste KI-Welle weltweit. Wissensbasierte Systeme (auch Expertensysteme) waren das vorherrschende Thema. Das LKI war damals eins von fünf KI-Zentren in Deutschland die u.a. die Arbeitsgemeinschaft der KI-Zentren AKI gegründet haben (AKI, neben dem LKI das FORWISS in Bayern, DFKI in Kaiserslautern und Saarbrücken, GMD in St. Augustin (jetzt Fraunhofer) und das FAW Ulm). Im LKI wurden zahlreiche Kooperationsprojekte mit vielen Partner erfolgreich durchgeführt. Unter anderem wurde mit dem Hamburger Berater Team und dem HVV ein Prototyp für das Fahrplanauskunftssystem „geofox“ entwickelt, welches auf KI-Suchverfahren beruht. Weitere Schwerpunkte waren fünf BMBF-Verbundprojekte im KI-Bereich Konfigurierung und Diagnose: TEX-K, TEX-B, PROKON, BEHAVIOR, INDIA. Letztlich ist aus dieser bundesweiten Investition u.a. das LKI und daraus der Hamburger Technologie Transfer-Center HITeC e.V. und damit ein wesentlicher Akteur im Bereich Technologietransfer entstanden.
Weiterhin war der Fachbereich Informatik bundesweit der erste Fachbereich, der ein interdisziplinäres (u.a. Informatik, Psychologie) Graduiertenkolleg zu "Kognitionswissenschaften" (Sprecher: Christopher Habel) einwarb. Dies unterstreicht das am Fachbereich auch noch heute verfolgte wissenschaftliche Vorgehen, Forschungen im Bereich Künstliche Intelligenz immer auch in Verbindung mit anderen Disziplinen zu untersuchen.
Als Basis für die Umsetzung von KI-Projekten werden aktuell die folgenden Forschungsschwerpunkte des Fachbereichs Informatik angesehen:
- Bildverarbeitung und Szenenanalyse
Kognitive Systeme, Cognitive Computer Vision, Dokumenten- und Manuskriptanalyse, High-Level Szeneninterpretation
Prof. B. Neumann, Prof. H.-S. Stiehl
Prof. L. Dreschler-Fischer, Prof. S. Frintrop- Verarbeitung natürlicher Sprache
Textsegmentierung, Korpusprozessoren und –Visualisierungen, Entitäterkenner, Annotationswerkzeuge, Visualisierungen, natürlichsprachige Beschreibung von Szenen in Videosequenzen
Prof. C. Biemann, Prof. W. Menzel
- Maschinelles Lernen und Künstliche Neuronale Netze
Deep Neural Networks, Hybrid Neural Symbolic Systems, Vision, Emotion, Action Recognition, Speech/Language, Robotics
Prof S. Wermter, Prof. C. Biemann
- Ethik in der IT
KI und Ethik, Recht auf Erklärbarkeit
Prof. J. Simon
- Wissenstechnologie und -repräsentation
Description Logic, Wissensmanagement, Recommender Systeme
Prof. S. Wermter, Prof. W. Maalej, Prof. B. Neumann, Dr. Lothar Hotz, Dr. Andreas Günter
- Wissensbasiertes Konfigurieren und Diagnose
Grundladen, Werkzeuge, Anwendungen
Dr. A. Günter, Dr. L. Hotz, Prof. B. Neumann
- Signalverarbeitung
Sprach-, Bild und Audioverarbeitung
Prof. T. Gerkmann, Prof. H.-S. Stiehl
- Robotik
Kognitive Aktionen und Industrieroboter, Cross-Modal Learning
Prof. S. Wermter, Prof. J. Zhang
- IT-Sicherheit
KI Transparenz/Rechenschaftspflicht, Social Bots
Prof. H. Federrath, Prof. M. Fischer
Diese Bereiche haben eine große Zahl an KI-Forschern hervorgebracht, die jetzt u.a. von der Gesellschaft für Informatik geehrt wurden.3 Eine Vielzahl von bundesweit aktiven KI-Wissenschaftlern kommen aus Hamburg, was z.B. durch die Reihe Dissertationen zur Künstlichen Intelligenz des AKA-Verlags4 dokumentiert ist, die in den vergangenen Jahren viele FB-Dissertationen veröffentlichten.
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1 Prof. Dr. Kristian Kersting, Prof. Jan Peters, PhD., Prof. Rothkopf, PhD.:
Was ist eine Professur für Künstliche Intelligenz?, TU Darmstadt 2019
2 Zitiert nach KI Konferenz, Historical Session, Dortmund, 2017
4 Dissertationen zur Künstlichen Intellegenz beim AKA-Verlag