Aktuelle Entwicklungen am Fachbereich: Großer Abbau von Informatik-Studienplätzen
8. Februar 2021

Foto: FBI/Vogel
Der geplante und von diversen Gutachten dringend empfohlene Ausbau der Informatik an der Universität Hamburg wird gestoppt. Geplante neue Studienplätze werden gestrichen, bestehende Studienplätze sind in Gefahr.
In den letzten Jahren haben wir wiederholt über die zahlreichen Errungenschaften und Erfolge unseres Fachbereichs berichtet. Darunter die wiederholte Gewinnung von großen millionenschweren Forschungsförderungen (u.a. den DFG Sonderforschungsbereich Crossmodal Learning und die Helmholtz Graduiertenschule zu Data Science), die Gewinnung von international-renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, diversen Lehr-, Forschungs- und Innovationspreisen, sowie diverse Gründungen und Beiträge zu Wissenschaft (z.B. zuletzt im Science Magazin), Wirtschaft und Gesellschaft (aktuell kommen z.B. der Präsident der Gesellschaft für Informatik und ein Mitglied des Deutschen Ethikrates aus unseren Reihen).
Nun müssen wir leider über eine neue negative Entwicklung informieren. Der geplante und von diversen Gutachten dringend empfohlene Ausbau der Informatik wird gestoppt. 100 geplante Informatik-Studienplätze werden gestrichen und es droht darüber hinaus der Abbau von ca. 150 weiteren (etwa 25%) der bereits bestehenden Studienplätze. Auslöser ist die Unsicherheit bei den Hochschulpakt-Mitteln und die Streichung der ahoi.digital-Professuren, darunter eine von der Hamburger Wirtschaft mitfinanzierte Stiftungsprofessur.
Dabei investiert Hamburg ohnehin laut einer aktuellen Studie des Stifterverbandes vergleichsweise sehr wenig in die Informatik- Ausbildung. In München gibt es derzeit etwa 150, in Berlin über 190 Professuren für Informatik. An unserem Fachbereich - die größte Hamburger Informatik Forschung- und Ausbildungsstätte - nur 23 Professuren (in Hamburg insgesamt 74). Alle Empfehlungen in der Wissenschaft und die Bedarfe der Hamburger Unternehmen weisen aber klar in eine andere Richtung. Sie fordern den Ausbau der Informatik als Schlüsseldisziplin der Digitalisierung. Auch die Exzellenzuniversität Hamburg braucht einen starken Kern in Informatik und künstlicher Intelligenz.
Kommentare
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- F. Uelsmann (08.02.21, 15:29):
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Nun würde mich der Plan der Stadt interessieren, wie sie gedenken auf wissenschaftlichen Bereich nicht in die Bedeutungslosigkeit zu versinken? Wir haben dieses Jahr 3 Plätze beim Innovationsindex verloren, aus Deutschland kommt kaum ein Treiber für Innovation in Sachen Informatik und wir streichen Studienplätze, obwohl sich hier extrem talentierte Personen befinden, die die Forschung und die Ausbildung extrem treiben könnten. Mein Vorschlag wäre vielleicht nicht in tote Geschäftskonzepte wie Karstadt zu investieren, die ihre Pleite zu einem großen Stück selbst verantwortet haben, sondern lieber in Bildung und Umschulung zu investieren, um gesunde neue Geschäftskonzepte von Menschen entwickeln zu lassen.
- J. Martens (09.02.21, 17:48):
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Rettung von Karstadt ist eher Bundesangelegenheit, die Bildung weitestgehend Ländersache.
Vielleicht zur Klarstellung: Die Stadt verlangt keine Studienplatzkürzungen und will das auch nicht. Aber: Über Jahre wurde das Grundbudget der Uni Hamburg nur um 0,88% jährlich erhöht. Gleichzeitig gab es (für Beschäftigte erfreulich) Tarifabschlüsse deutlich darüber. Die Inflation ist auch vorangeschritten (durchschnittlich 2% pro Jahr). Auch wenn sich der Etat also nominal erhöht hat, faktisch ist er über Jahre (seit 2011 mindestens) geschrumpft.
Aufgrund solider Haushaltspolitik (die gerade der Uni in Abrede gestellt wird) hatte sie viele Rücklagen. Das strukturelle Defizit der letzten Jahre konnte also verhältnismäßig gut abgefangen werden und sogar eine erfolgreiche Bewerbung als Exzellenzuniversität wurde erreicht. Mittlerweile sind die Rücklagen aufgezehrt.
Die neuen Vereinbarungen mit der Uni sehen eine 3%-ige Etatsteigerung pro Jahr vor und alle Tarifabschlüsse bis 2% sollen zukünftig übernommen werden. Dafür wurde jahrelang gekämpft und der Wissenschaftsrat hat dies vor einiger Zeit empfohlen.
Das Problem, welches die Behörde bislang nicht anerkennt: es fehlen Millionen pro Jahr aufgrund der faktischen Etatkürzungen der letzten Jahre; eine sogenannte Kostenschere. Erschwerend kommt hinzu, dass der Haushaltsausschuss des Bundestags die Ausschüttung der Mittel aus dem Hochschulpakt vorerst begrenzt hat. Dort fehlen also weitere Mittel, die eingeplant waren.
In Summe führt dies zu einem strukturellen Defizit der Uni und noch mehr zu einem tragischen Auseinanderlaufen des Diskurses zwischen Politik und Hochschulen. Die zuständige Senatorin fragt sich, warum es kaum Lob für die (im Vergleich zu vorher und trotz Corona) tollen und langfristigen Etaterhöhungen gibt. Die Universität sieht die Kostenschere und kritisiert dafür die Politik.
Am Ende verschärfen sich die Fronten und die Studierenden und Beschäftigten leiden darunter. Auf der einen Seite (Uni) wächst Verzweiflung, auf der anderen (Politik) Trotz aufgrund empfundener Überreaktion.
Die Öffentlichkeit wiederum leidet massiv unter Corona und wird (in Unkenntnis der Feinheiten und Details) vermutlich nicht sonderlich viel Empathie für die Exzellenzuniversität aufbringen.
- J. Martens (17.02.21, 22:07):
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Die „Zukunftsverträge“ sind jetzt ja abgeschlossen. Ich würde sie eher Stillstandsverträge nennen und die bisherigen Vereinbarungen bis 2020 Rückschrittsvereinbarungen.
Warum?
Es werden die zukünftigen Tarifsteigerungen und Inflationssteigerungen bis zu 2% jährlich ausgeglichen. Dazu gibt es durchschnittlich 0,5% Mittel für Profilbildung der Hochschulen, sofern die 2% noch nicht durch die Tarif- und Inflationssteigerungen ausgeschöpft sind. Die Behörde rechnet laut Abendblatt mit 1,5% Steigerungen in diesem Punkt und geht daher davon aus, dass Profilbildungsmittel ausgezahlt werden.
Zusätzlich werden die Hochschulen bei Bausanierung entlastet und bekommen Mittel zur Digitalisierung (1-2% pro Jahr).
That's it.
Diese „Zukunftsverträge“ gleichen die Kostenschere NICHT aus. Sie schreiben lediglich den Status Quo fort und verhindern ein Ausweiten der Kostenschere.
Weitere Mittel zum Ausgleich von Altlasten kommen eventuell „auf dem Weg“ bis 2027, aber sicherlich nicht vor 2023. Denn der Haushalt für 2021/22 wird gerade verhandelt und die Mittel der Zukunftsverträge sind dort bereits eingepreist. Zusätzliche Mittel werden angesichts eher sinkender Steuereinnahmen nicht im laufenden Haushaltszeitraum aufkommen.
Was bedeutet das für die Uni?
Sie wird aller Voraussicht nach das strukturelle Defizit von über 20 Millionen Euro pro Jahr durch „Bewirtschaftung von Stellen“ (freie Stellen nicht berufen/ausschreiben) und Kürzungen (z.B. Berufungen abbrechen) einfahren müssen.
Was bedeutet das für die Informatik?
Bei gleichmäßiger Verteilung der Kürzungen wird das auch die Informatik treffen. Wie genau solche Kürzungen aber in der Uni stattfinden, wird in der Uni entschieden. Der wichtigste Ort dafür ist der Ausschuss für Planung und Haushalt des Akademischen Senats.
Die Problematik der HSP-Mittel besteht weiterhin. Ich habe Gerüchte gehört, dass die Informatik bislang überproportional viele HSP-Mittel erhalten hat und die Uni dies jetzt wohl gleichmäßiger verteilt.
Die starke Kürzung der Studierendenzahlen in der Informatik ist definitiv nichts, worüber sich die Behörde freut. Ich stecke da aber nicht in den Details drin. Ggfs. lohnt es sich im Akademischen Senat bei den Fragen an das Präsidium einmal nachzufragen, ob es Verabredungen mit der Behörde zu ahoi.digital gab und wenn ja welche.
Quellen:
https://www.hamburg.de/bwfgb/14876136/hochschulvereinbarungen-2021-2027/
https://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article231479859/Zukunftsvertraege-Hochschulen-UKE-Wissenschaftsbehoerde-Grundfinanzierung.html